Aktualisiert am 25.02.2023.
Nur ein bisschen Kampfjetlärm? Oder ein handfester Skandal mit Beteiligten, die das Grundgesetz mit Füßen treten?
Die Region Eifel/Westpfalz/Saarland liegt unter mehreren, sich überlappenden Lufträumen, in denen Kampfjets ohne jegliche Lärmbeschränkung fliegen dürfen. Zwei davon haben Namen: TRA LAUTER und POLYGONE. Die Flüge umfassen Abfangjagden (mit und ohne Nachbrenner), Tiefflüge, Überschallflüge mit Knall und Flüge irgendwo dazwischen, z.B. tiefe Flüge, die nicht als Tiefflüge gezählt werden. Dazu kommen Versorgungs- und Übungsflüge schwerer Transportmaschinen der US AirForce und deutsche Transporte von Fallschirmspringern. Ohne besondere Genehmigungen dürfen Übungsflüge mit Kampfjets unter Missachtung der üblichen Mittags- und Nachtruhe durchgängig bis 23.30 Uhr (Oktober bis April) oder bis 21.00 Uhr (Mai bis September) unter Aussperrung des zivilen Verkehrs von 3000 Metern Höhe aufwärts ohne Ankündigung und Mengenbeschränkung durchgeführt werden. Außerhalb dieser Zeiten und Höhe – insbesondere unter 3000 Metern – darf ebenfalls beliebig laut und lange geübt werden, nur muss das Militär dann auf den zivilen Flugverkehr achten.
Der militärische Übungsluftraum TRA LAUTER wurde 2003 auf Wunsch der US Air Force vergrößert. Sie drohte ansonsten, die Kampfjets abzuziehen. So viel mehr Lebensqualität wollte uns der damalige SPD-Verteidigungsminister Scharping nicht zugestehen und hat uns als Verschleißmaterial ans US-Militär verschenkt. Die TRA EIFEL wurde geschlossen, was bedeutet, dass auch noch deren Lärm in die TRA LAUTER gestopft wurde und wird. Wir haben eine Zusammenfassung des skandalösen Gemauschels zum Schaden der Menschen im Saarland und angrenzenden Rheinland-Pfalz zusammengestellt.
Da es außerhalb der unmittelbaren Umgebung von Flughäfen juristisch gesehen keinen Fluglärm gibt, gibt es auch keine Beschränkungen der Lärmstärke und Dauer. Das führt dazu, dass die Menschen der Region an 222 von 253 untersuchten Werktagen des Jahres 2008 militärischen Fluglärm ertragen mussten, davon an 22 Tagen noch zusätzlich zwischen 18.00 und 20.00 Uhr und an 49 Tagen von 20.00-22.00 Uhr. Leider gab es auch Flüge nach 22.00 Uhr im Winter sowie Verletzungen der 21.00 Uhr-Grenze im Sommer. Eine besondere Belastung liegt darin, dass es keine den Bürgern zugänglichen Flugpläne gibt. Daher gibt es bis zum späten Abend keine Entspannung, und jedes kleine Geräusch versetzt den Körper in einen Stresssituation, weil er sich auf eine erneute Lärmattacke vorbereitet – ob sie dann kommt oder nicht.
Auch am Wochenende gibt es keine Ruhe, da der Flugbetrieb der US Air Base Ramstein rund um die Uhr genehmigt ist, auch nachts. Gründe konnte uns weder das Verbindungsbüro der Airbase noch die genehmigende Behörde Wehrbereichsverwaltung West nennen, so dass als Zusammenfassung nur bleibt: Sie fliegen, weil sie dürfen, und sie dürfen, weil sie wollen.
Zur Radartäuschung werden trotz Verbots sogenannte Düppel oder Chaff ausgebracht, das sind aluminiumbeschichtete Glasfasern, die gelegentlich auch vom Wetterradar erfasst werden. Das Ausbringen darf eigentlich nur über dem Meer und Truppenübungsplätzen erfolgen, wurde aber nachweislich im Februar 2008 über der Region durchgeführt und ist aufgefallen, weil einige Kartuschen nicht richtig detoniert sind, sodass das Material büschelweise über der Pfälzer Gemeinde Schopp herunterkam. Aber auch wenn es über dem Meer ausgebracht wird, kann es über bewohntem Gebiet niedergehen. Weil diese Glasfasern nicht durch die Lunge ins Blut gehen, behauptet das Militär, sie seien unbedenklich.
Die größte Belastung mit Kampfjets geht von der US Air Base Spangdahlem in der Eifel aus, die sogar die Vergrößerung der TRA LAUTER erpresste, dicht gefolgt vom Fliegerhorst Büchel, ebenfalls aus der Eifel und mit Spezialisierung auf die Verlärmung des Abends. Für diese ist es bequem, quasi vor der Haustür zu üben. Wenn sie nicht fliegen, lässt der Verteidigungsminister andere Ausländer fliegen, z.B. Belgier, Niederländer, Italiener, Rumänen aber auch Schweizer. Die Bundesluftwaffe aus Nörvenich, Jagel und anderen Fliegerhorsten fliegt hier ebenfalls. Manchmal ist der Treibstoffverbrauch doch nicht so wichtig. Vorwände für die Lärmkonzentration sind einerseits praktischer Art, wie die räumliche Nähe zur Airbase Spangdahlem und zum Fliegerhorst Büchel, andererseits politisch motiviert, wie die Minimierung des Protests durch Minimierung der Anzahl der Betroffenen, oder einfach erlogen, wie die ominösen „Flugmuster“, die man nur in der TRA LAUTER fliegen könne. Offizielle Zahlen über die Nutzung sind Antworten auf Kleine Anfragen zu entnehmen.
Lärm in dieser Konzentration macht krank. Das Verteidigungsministerium streitet natürlich alles ab, sogar die Schädlichkeit von Chaff, mehrmaliges nächtliches Gewecktwerden der überflogenen Bürger oder den infernalischen Lärm von Tiefflügen – da ist das Abstreiten der Schädlichkeit des Dauerdröhnens durch Abfangjagden (auch mit Nachbrenner) oder der Überschallknalle bloß ein Mosaikstein im leicht zu durchschauenden Lügengebäude. Immerhin musste die Arbeitsgruppe, die auf Druck der Opfer im Dezember 2008 erstmalig mit dem Ziel der Lärmminderung auf der Hardthöhe zusammenkam, endlich zugeben, dass die Lärmbelastung der Region mit militärischem Fluglärm die bundesweit höchste ist. Wohlgemerkt – es handelt sich nicht um eine Einflugschneise sondern um den Lebensraum von ca. 2 Millionen Menschen.
Die krank machende Lärmkonzentration stellt damit eine dauerhafte Verletzung der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Gleichbehandlung dar.
Hier übende US-Staffeln werden nach den Übungen zum Einsatz in die Kriege der USA in den Nahen Osten verlegt. Diese Kriege haben als Angriffskriege auf souveräne Staaten begonnen, auch wenn sie nachträglich durch Vereinbarungen mit Marionettenregierungen zu legitimieren versucht wurden. Damit ist die Unterstützung dieser Kriege, z.B. durch Überlassung des Luftraums für Übungs- und Versorgungsflüge, grundgesetzwidrig. Der Luftraum muss für die Mehrzahl der US-Militärflüge gesperrt werden.
Ein Teil der Lösung ergibt sich direkt aus der Frage, was US-Truppen hier noch zu suchen haben. Einen Beitrag zur Verteidigung des Landes leisten sie nicht, im Gegenteil. Sie erzeugen Leid im Nahen Osten und säen Hass, der zu terroristischen Anschlägen führen kann. Dass die US-Truppen die Gefahr als real ansehen zeigt sich darin, dass sie ihre AD- und HK-Autokennzeichen durch ortsübliche ersetzen, um außerhalb ihrer Basen schwerer erkennbar zu sein und die deutsche Zivilbevölkerung als lebende Schutzschilde zu nutzen.
Aber selbst wenn die US-Basen nicht sofort geschlossen oder zur zivilen Nutzung konvertiert werden, ist das dicht besiedelte Deutschland der denkbar schlechteste Ort, um ausländisches Militär hier mit Kampfjets herumlärmen zu lassen. Auch die Bundesluftwaffe muss das nicht. Die weitaus meisten Flüge sind verlagerbar, z.B. über das Meer oder geeignete Einöden von Partnerstaaten.
Der geringe Rest der Flüge über besiedeltem Gebiet kann dann ordentlich geplant, angekündigt und über ganz Deutschland (und damit meinen wir nicht bloß ein paar Lärmreservate) verteilt werden, sodass jeder nur geringe Belastungen ertragen muss. Sicher wird das Militär Gründe (er)finden, warum das überhaupt nicht geht, und der Verteidigungsminister wird befürchten, dass er dann Beschwerden von Menschen bekommt, die diesen Lärm nie kannten. Da die statischen Übungszonen eingerichtet werden konnten, gibt es aber keinen Grund, sie nicht wieder auflösen zu können und dafür den Luftraum so zu nutzen, dass alle Menschen gleichmäßig und moderat belastet werden. Wenn der Verteidigungminister wegen möglicher Proteste Angst hat, Übungen über dem Wannsee, dem Starnberger See oder dem Bodensee abzuhalten, dann darf er sie auch nicht über dem Losheimer Stausee oder dem Bostalsee im Saarland abhalten.
Die betroffenen Menschen werden nicht ihre Gesundheit und Lebensqualität aufgeben, damit ausländisches und deutsches Militär bequem auf ihre Kosten den Krieg über ihren Köpfen üben kann. Wie lange lässt der Verteidigungsminister den Krieg gegen einen Teil seiner Bürger und gegen das Grundgesetz noch zu?